2. Preis beim Realisierungswettbewerb
Die Neugestaltung der Ortsmitte in Neuried wird in logischer Konsequenz aus der vorhandenen städtebaulichen Situation weiterentwickelt. Es wird ein Quartier geschaffen, welches sich in Maßstäblichkeit und Formensprache einfügt und einen hohen Identifikationswert besitzt. Der ursprüngliche Dorfanger wird über die Planegger Straße hinübergeführt und schließt mit dem neuen Rathausplatz ab. Durch eine großzügige Aufweitung der Straßenüberquerung wird der Barrierewirkung der Staatsstraße in hohem Maße entgegengewirkt. Das alte und das neue Rathaus sowie das neue Wohn- und Geschäftshaus an der Münchener Straße bieten den entsprechenden Rahmen und bilden in logischer Konsequenz den fehlenden Abschluss nach Norden, wobei die Sichtachse Kirchplatz - Rathausplatz von Südwesten nach Nordosten als Planungsziel gewahrt bleibt. Im rückwärtigen Bereich, der Münchener Straße folgend, schließen die Wohnbauten an, welche den Rhythmus der nördlichen Zeilenbebauung aufnehmen und nach Vorbild einer Gartenstadt stark durchgrünt sind. Die Setzung der Gebäudeteile in Verbindung mit der Außenraumgestaltung führt zu geschützten Wohnhöfen mit attraktiven Freibereichen nach Südwesten.
Die Kubatur des Rathauses ist bestimmt von dem konzeptionellen Ansatz, den Ratssaal vom eigentlichen Verwaltungsteil deutlich sichtbar abzutrennen. Ausgehend vom Rathausplatz bilden die beiden Gebäudeteile in ihrer rechtwinkeligen Fügung eine Leitfunktion, und führen wie selbstverständlich und bewusst niederschwellig zum Haupteingang.
Das dreigeschossige Foyer ist das Herz des neuen Rathauses und verbindet alle Bereiche zentral miteinander. Galerien und Luftraum sind nicht ausschließlich Erschließungsfläche sondern vielmehr Kommunikationsraum – auch über das jeweilige Geschoss und somit auch über die verschiedenen Amtsbereiche hinaus. Der Sitzungssaal mit seiner prägnanten, bronzefarbenen Laterne besitzt - der Funktion entsprechend – ein angemessenes Erscheinungsbild von außen und verfügt darüber hinaus über einen höchst attraktiven Innenraum.
Vom städtischen Platz abgewandt, bildet der Rathausgarten mit großzügiger Terrasse einen geschützten Außenraum für die Mitarbeiter, der auch bei Hochzeitszeremonien im Standesamt mit genutzt werden kann.
Die zweigeschossige Tiefgarage kann ohne weiteres mit dem zweiten Bauabschnitt verbunden werden. Die gewünschte mögliche Erweiterung des Rathauses kann in gleicher Formensprache angefügt werden.
Die klare Struktur des gesamten Baukörpers trägt im hohen Maße zur einfachen Orientierung und Übersichtlichkeit für Mitarbeiter und Besucher in ihrem neuen Haus bei.
Als neue Ortsmitte wird der Rathausplatz als großzügiger, multifunktionaler Platz gestaltet. Er kann als Raum für Veranstaltungen, wie dem Wochenmarkt oder Festivitäten genutzt wer-den. Sitzmöglichkeiten und ein Fontänenfeld bespielen den Platz. Im Westen befinden sich grüne Pflanzinseln die locker von Bäumen überspannt sind und das anfallende Oberflächenwasser versickern. Der Maibaum wird aus seiner ehemaligen Randposition zentral in den Platz integriert. Die Kreuzung an der Planegger Straße erhält einen großzügigen, gepflasterten Übergang, der den Rathausplatz mit der südlichen Ortsmitte verbindet und als Aufmerksamkeitsstreifen für Autofahrer fungiert.
Das neue Wohnumfeld im Norden wird über einen mäandrierenden Weg erschlossen. Grüne Höfe spannen sich zwischen den Wohngebäuden auf und beinhalten gemeinschaftlich nutzbare Flächen mit Spielmöglichkeiten. Die Erdgeschosswohnungen erhalten eine private Vorzone mit Terrassen, die durch eine Hecke von den gemeinschaftlichen Flächen abgegrenzt ist.
Die Schule und Kindertagesstätte werden ebenfalls an den übergeordneten Weg angeschlossen und sind deshalb gut zu Fuß und mit dem Rad erreichbar. Eine Hol- und Bringzone befindet sich im Norden des Gebiets.
Die Grundrisse bauen auf ein Haupt-Tragwerksraster von 7,80m/5,20m und ein Neben-Ausbauraster von 1,30m auf. Somit ist bis auf die aussteifenden Erschließungskerne eine voll-ständige Flexibilität im Ausbau gegeben. Als Konstruktion schlagen wir eine Hybridbauweise vor. Das Haupttragwerk aus vorfabrizierten Stahlbetonstützen und -trägern im Raster von 7,80m wird ergänzt durch ein Nebentragwerk sowie den Ausbau aus Holz, jeweils im Raster von 1,30m. Hierbei werden Akustikflächen, Beleuchtung sowie die Heiz-Kühldecken in der Ebene des Nebentragwerks integriert. Das innere Konstruktionsprinzip überträgt sich gestalt-prägend in die Gliederung und Materialität der Fassaden. Das Fassadenraster zeichnet sich durch die Struktur der Natursteinfassade aus bayerischem Muschelkalk ab, die von hölzernen Fensterelementen und Lüftungsflügeln ausgefüllt werden. Ein spielerisch-leichter Wechsel aus massiven Gewänden, opaken Wandflächen und großflächigen Verglasungen verleihen dem Rathausneubau ein zeitloses, modernes, dauerhaftes und repräsentatives Erscheinungsbild. Die Verschattung mittels Textilscreens bildet einen effektiven Blendschutz und beugt der sommerlichen Aufheizung des Gebäudes vor.
Durch die gewählten Hauptkonstruktionsweisen und die regelmäßige Grundriss- und Fassadenstruktur wird ein hohes Maß an Vorfertigung erreicht und somit eine effiziente und kurze Bauzeit realisiert.
Sämtliche Materialien (vorzugsweise Holz und Naturstein) werden in ihrer natürlichen Beschaffenheit eingesetzt. Die Oberflächen bleiben naturbelassen. Der ehrliche Umgang mit den Materialien ist Bestandteil des architektonischen Konzepts.
Großflächigen Verglasungen – in Teilen raumhoch – ermöglichen helle Räume und klare, natürlich belichtete Arbeitsbereiche. Diese Transparenz wird konsequent über den gesamten Neubau fortgeführt und ermöglicht interessante Blickbeziehungen zwischen den verschiedenen Nutzungsbereichen auch über das jeweilige Geschoss hinaus.
Die hochwärmegedämmte Fassade erhält eine Verkleidung aus heimischem Muschelkalkstein. Das Dach wird durch eine ökologische Substratschicht mit Extensivbegrünung aus Sedumsprossen geschützt. Eine Photovoltaikanlage auf der Dachfläche dient zur Stromerzeugung. Eine Wärmepumpe nutzt die natürlich vorhandene Erdwärme. Um den Trinkwasserbedarf zu minimieren ist die Nutzung der Dachflächenabwässer für WC-Spülungen und die Bewässerung der Außenanlagen vorgesehen.
Die Wärmeversorgung verzichtet komplett auf fossile Energieträger und wird mit Hilfe einer Wärmepumpe gewährleistet. Die Verteilung der Wärme erfolgt über Deckenstrahlplatten, welche im Sommerfall auch die entsprechende Nachtkühlung übernehmen können.
Die vorelementierte Hybridbauweise bietet den Vorteil, die Bauzeit zu verkürzen und damit ein wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Darüber hinaus ist sie konsequent ökologisch und in hohem Maße nachhaltig.
Die städtebaulichen Strukturen der Umgebung werden im Wettbewerbsbeitrag differenziert aufge-nommen, sowohl in Bezug auf die Ausrichtung der Wohnbebauung an der im Norden angrenzenden Münchner Straße, als auch auf die Orientierung der im Westen angrenzenden öffentlichen Gebäude mit Kindergarten und Schule. Das differenzierte Eingehen auf die unterschiedlichen Richtungen der umgebenden Bebauung führt jedoch teilweise zu unklaren Baukörperformen. Insbesondere im Ge-schäfts-, Einzelhandel und Bürogebäude am Platz ist die Belichtungssituation durch beidseitig ange-ordnete Atrien ungeklärt.
Die in der Wettbewerbsauslobung gewünschte Dichte für den Ideenteil wird deutlich unterschritten, der Abstand der Bebauung zum Hadener Weg ist sehr großzügig bemessen. Positiv gesehen wird dabei die großflächige Entsiegelung und Begrünung der Außenbereiche. Eine gute Belichtung der Wohnnutzung dürfte durch die Zeilenbebauung gegeben sein.
Die Positionierung des Rathauses bildet im Zusammenspiel mit dem Büro- und Gescha¨ftsgeba¨ude einen angemessenen Abschluss des Angers aus. Es entsteht ein großzügiger Platzbereich, der vielfältig nutzbar ist. Die Ho¨henentwicklung von Rathaus und Gescha¨ftsgeba¨ude ist dieser Situation angemessen. Der vorgelagerte, eingeschossige Sitzungssaal lässt dem alten Rathaus ausreichend Raum.
Das Rathausgebäude selbst ist zurückhaltend gestaltet. Der nach Süden zum Platz orientierte reprä-sentative Eingang führt den Besucher selbstverständlich in das Rathausgebäude. Durch die Belagsge-staltung wird vermittelt, dass sich der Marktplatz bis in das freundliche, gut belichtete Rathausfoyer erstrecken soll. Die vertikale Erschließung in den Gebäudeecken ist jedoch an diese prominente Zone nicht adäquat angebunden. Sitzungssaal und Trauzimmer sind ebenerdig und gut zum Außenbereich positioniert. Sie erhalten durch die direkt angelagerten Freiflächen zusätzliche Nutzungsmöglichkei-ten und besondere Atmosphäre.
Das Gebäude ist kompakt organisiert, trotzdem bietet der vertikale Luftraum mit Kommunikations-zonen eine gewisse Großzügigkeit. Die Nutzungen mit häufigem Publikumsverkehr sind sinnvoll im Erdgeschoss bzw. die Bauverwaltung im 1. Obergeschoss angeordnet.
Die Dachbegrünungen in Kombination mit Photovoltaikanlagen auf den Flachdächern sind positiv zu bewerten, eine Integration von Aktivtechnik in der Fassade wurde leider nicht angedacht. Ebenso vermisst wird die Zugänglichkeit und Nutzung der Dachfläche des eingeschossigen Anbaus und sollte geprüft werden.
Der Ansatz eines Holzhybridbaus – Stahlbeton und Holz – wird positiv zur Kenntnis genommen, die genaue Ausführung ist aus den Plangrundlagen jedoch nur zu erahnen. Der Einsatz von Naturstein an der Fassade ist hinsichtlich der Lebenszyklusbetrachtung und der zu erwartenden Langlebigkeit nach-vollziehbar. Holzfenster mit außenliegendem, textilem Sonnenschutz werden positiv gewertet. Ein Fensterflächenanteil von knapp 40 % ist hinsichtlich der Abwägung von Belichtung, Energieverluste und sommerlicher Überhitzungsschuss angemessen.
Die Anzahl der angebotenen Stellplätze stellt eine deutliche Übererfüllung dar und ist nicht wirt-schaftlich. Auf das zweite Tiefgeschoss sollte verzichtet werden.
Der Entwurf geht ansonsten effizient mit den Flächen um, der Baukörper liegt hinsichtlich des gebau-ten Rauminhalts innerhalb der Beiträge im unteren Bereich. Allerdings wird das gute A/V-Verhältnis des kompakten Hauptgebäudes durch den eingeschossigen Anbau verschlechtert. Die angebotenen Nutzflächen erfüllen in den überwiegenden Bereichen die Vorgaben. Die Nutzungsflexibilität er-scheint durch die tragenden Innenwände eingeschränkt.
Die angrenzenden Grünflächen um das Rathaus mit Rathausgarten sind in der Dimension angemes-sen, müssten aber leider bei Realisierung der Rathauserweiterung großteils entfallen. Nutzungsmög-lichkeiten sind leider nicht detailliert ausformuliert.
Die Situierung des Fontänenfelds müsste mit der Nutzbarkeit des Marktplatzes abgeglichen werden. Das Angebot an Fahrradstellplätzen ist knapp bemessen, es sind keine Überdachungen vorgesehen. Die Integration der Leihfahrradstation ist positiv zu bewerten.
Die Anordnung der 2 Behindertenparkplätze zwischen Neubau und altem Rathaus wird kritisch gese-hen. Ebenso wird die Pflanzung in einem Teilbereich der Planegger Straße aus verkehrstechnischen Gründen nicht möglich sein. Durch den herausgeschobenen, eingeschossigen Baukörper mit Sitzungssaal und Trauzimmer wird der „Fußabdruck“ des Rathausgeba¨ude vergro¨ßert und die zur Verfügung stehende Freifla¨che im Ver-gleich zu anderen Lösungen reduziert.
Die grünen Höfe zwischen den Wohngebäuden ermöglichen eine gut nutzbare Freiraumgestaltung. Das Hereinziehen des Bestandsgrün vom Haderner Weg in das Quartier wird begrüßt.
Die Anlieferung der Gewerbenutzung ist ungeklärt. Eine Tiefgarageneinfahrt für das gesamte Quar-tier unter dem Wohnungsbau ist fraglich. Darüber hinaus sind die Abmessung der Tiefgarage im Aus-bauzustand unklar. Die großzügige dargestellte Bepflanzung mit Bäumen ist in diesem Zusammen-hang kritisch zu hinterfragen.
Der Grünanteil im Quartier bietet Potentiale für die Erhöhung der Biodiversität im Quartier.
Insgesamt werden die unterschiedlichen, umgebenden Bestandsstrukturen differenziert im städte-baulichen Entwurf zusammengeführt, jedoch ist im Vergleich zu anderen Beiträgen die vorgeschla-gene Dichte sehr gering und das Potential an diesem Standort nicht ausgenutzt.